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Durch Eis und Schnee in den letzten Kampf
Xaver Schwäbl ließ
den Revolutionszug der Deutschen Demokratischen Legion lebendig werden /
600 Kämpfer marschierten durch
Neuenweg, Bürchau und Wieden

Xaver Schwäbl aus Utzenfeld berichtete vom Jahr 1844.
Foto: Heiner Fabry
Ein Hauch von Tragik
wehte durchs Tegernauer Wirtshausmuseum "Krone", als Xaver Schwäbl vom
verzweifelten Zug der Deutschen Demokratischen Legion berichtete. Deren
Mitglieder suchten im April 1848, nach der gescheiterten Badischen
Revolution, durch das Kleine Wiesental den Weg in die freiheitliche
Schweiz.
"Die Wiege der
Demokratie stand hier bei uns", sagte Hans Viardot nach dem bewegenden
Bericht des Utzenfelder Lehrers Xaver Schwäbl. Als die Badische Revolution
ausbrach, hatte das Ehepaar Emma und Georg Herwegh im Pariser Exil aus
vornehmlich deutschen Handwerkern die Deutsche Demokratische Legion
gebildet, um den Revolutionären in der Heimat beizustehen. Der Trupp zog
über Straßburg nach Kleinkems, wo er auf den Ruf Heckers wartete, der aber
angesichts eines Eingreifens "aus dem Ausland" darum bat abzuwarten. Als
sich dann die Legion doch entschloss, den Rhein zu überschreiten, war es
bereits zu spät. Das konnten die Legionäre aber nicht wissen. Sie zogen
über Kandern nach Wieden, wo sie zu einem überraschenden Halt gezwungen
wurden. Ihr Ziel – Schönau – war bereits von württembergischen Truppen
besetzt.
Die Nacht vom 25. auf den 26. April wurde dann die "Nacht der
Entscheidung". Ein Versprengter des Sigel-Zuges traf ein und berichtete,
dass auch Sigel geschlagen und Freiburg in der Hand der fürstlichen
Truppen war. In der langen Nacht kamen die Legionäre zu der Überzeugung,
dass weiterer Kampf aussichtslos war und dass sie versuchen wollten, ohne
weiteres Blutvergießen in die Schweiz zu entkommen.
Es schloss sich ein Zug des Leids und des Elends an, den Xaver Schwäbl in
seiner Schilderung aus Originaldokumenten vor den Zuhörern lebendig werden
ließ. "Völlig abgemattet", erschöpft und hungernd, teilweise ohne Schuhe
hätten sich die Revolutionäre auf den Weg gemacht. In Wieden seien sie
zwar zuvorkommend von der Bevölkerung aufgenommen worden, aber auch dort
waren die Nahrungsmittel knapp.
Auf ihrem Weg durch Neuenweg und Bürchau staunten die Bürger zwar über den
abenteuerlichen Zug – "bestehend aus allen Nationen, auch ein Amerikaner
und ein Türke waren dabei" – aber den Hunger der Kämpfer stillen konnten
auch sie nicht. Mit der Angst vor dem anrückenden Militär im Nacken
entschied sich Herwegh, seinen Zug über die Höhen von Elbenschwand und den
Zeller Blauen hinab ins Wiesental zu führen. "Durch Eis und teilweise
kniehohen Schnee", wie ein Chronist berichtete. Aber auch in Zell gab es
trotz aller Sympathie mit den Revolutionären keine Hilfe: "Mit Tränen in
den Augen" flehte der Bürgermeister die Legionäre an weiterzuziehen. Mit
württembergischem Militär in Schönau und in Schopfheim hatten die Zeller
Angst, zum Schauplatz eines Gemetzels zu werden.
Die völlig erschöpften Revolutionäre wollten aufbegehren. Da war es Emma
Herwegh, die mit einer glutvollen Rede die Schar aufrief, letzte Kräfte zu
mobilisieren und das Heil in der nahen Schweiz zu suchen. Über Raitbach
ging nun der Zug hinab nach Hasel, am Haselbach entlang nach Wehr und von
dort über die alte Landstraße nach Dossenbach. Dort traf die Legion am
Morgen des 27. April auf eine Kompanie des in Schopfheim stationierten
Hauptmann Franz Lipp. Dieser waffenmäßig überlegenen Truppe hatten die
erschöpften Legionäre nichts mehr entgegenzusetzen. Zwar griffen die
"Sensenmänner" um Richard von Schimmelpfennig die Soldaten entschlossen
an. Schimmelpfennig konnte Hauptmann Lipp auch schwer an der Hand
verwunden, aber ein Soldat stach ihm mit dem Bajonett in den offenen Mund,
"so dass das Bajonett hinten am Kopf wieder heraus drang", sagte Schwäbl.
Die Legion war geschlagen.

Emma Herwegh, Lenk-Plastik auf dem Schopfheimer Marktplatz.
Foto: Niklas Lais
Von den 600 Legionären wurden 393 gefangen genommen, 30 starben, einigen
gelang die Flucht. Emma und Georg Herwegh fanden Hilfe in Karsau beim
Bauern Jakob Bannwarth, der sie als Knecht und Magd verkleidete und über
die Rheinfelder Brücke in die Schweiz brachte.
Der Vortrag von Xaver Schwäbl fesselte die Zuhörer und brachte wieder ins
Bewusstsein, wie geschichtsträchtig das Gebiet des Südschwarzwalds und des
Dinkelbergs ist. Von dem beim Vortrag anwesenden Kurt Vollmer aus
Dossenbach, der sich um die Erforschung und Dokumentation der Schlacht bei
Dossenbach verdient gemacht hat, wurde der Vortrag Schwäbls gerade in
Bezug auf den letzten Akt des Dramas profund ergänzt.
Bericht: BZ/Heiner Fabry |