Der Künstler
mit dem Bleistift
Am Sonntag wird in Wieslet das Schleith-Atelier mit 50 Bildern neu
eröffnet /
Ein Leben in Armut und Schwermut.

Ernst Schleith: Ried
Er war arm, er war depressiv, und eine Frau gab es in seinem Leben auch
nicht. Aber Ernst Schleith hatte
malerisches Talent. Davon kann man sich
am kommenden Sonntag in Wieslet überzeugen: Dann wird das
Schleith-Atelier
neu eröffnet. 50 Bilder gibt es vom gebürtigen Wiesleter Künstler zu
sehen, viele davon
zum ersten Mal in der Öffentlichkeit.
Anlass ist der 140. Geburtstag von Ernst Schleith (1871–1940). Die
Initiative KUK (Kunst und Kultur) sammelt die Bilder und hat nun wieder 20
Werke vermacht bekommen. Schleiths Markenzeichen sind Bleistiftbilder mit
Landschafts- und Dorfansichten. Auch Porträts von Persönlichkeiten der
damaligen Zeit gibt es zu sehen.
"Schleith hat unheimlich exakt gemalt,
wie bei einer Fotografie", berichtet Hans Viardot von KUK.
Kein Wunder, dass die detailreichen Bilder auf den ersten Blick wie
fotografiert aussehen. Doch für einen Fotoapparat, mit dem der Wiesleter
Maler Vorlagen für seine Werke hätte anfertigen können, besaß er
zeitlebens nicht. Stattdessen nahm er seine Staffelei und seine Stifte und
ging direkt zu seinen Motiven im Kleinen Wiesental oder in Schopfheim.
Dort hat er gestrichelt und gepunktet. Wer vor einem Original steht, ahnt,
dass so etwas nicht an einem Nachmittag zu schaffen war. "Bis zu sechs
Wochen hat Ernst Schleith für ein Bild gebraucht", sagt Hans Viardot.
Schleith war demnach ein überaus fleißiger und disziplinierter Maler. Für
Leinwände und Ölfarben hatte er kaum Geld, und für seine Tätigkeit bekam
er in Wieslet oft nicht den nötigen Respekt. Bekannt war er freilich, aber
gegolten hat er dort nicht viel. Dass er das Bleistiftzeichnen so
perfektionierte, lag möglicherweise auch an seiner depressiven Erkrankung.
"Er verharrte am Bleistift und wurde darin ein Meister", sagt
Schleith-Kenner Viardot. Die schwermütige Grundhaltung bleibt in vielen
Bildern nicht verborgen; sie wirken ernst, ungeschönt und nüchtern. Ein
Abbild der Heimat und mittlerweile selbst ein Stück Heimatgeschichte.
Aus heutiger Sicht sind die Werke – man geht von bis zu 600 Arbeiten aus –
ein Schatz, gerade weil sie so naturgetreu sind. Nach Schleiths Tod
dauerte es über 20 Jahre, bis sie zu Ehren kamen: 1964 mit einer
Ausstellung in der Wiesleter Halle, arrangiert von Kurt Ückert. Die erste
Ausstellung überhaupt. 1977 folgte eine weitere im Schopfheimer
Heimatmuseum, 1993 die bislang größte durch KUK. Zu Schleiths 125.
Geburtstag richtete KUK einen Ausstellungsraum ein, wie er authentischer
kaum sein könnte: Im Dachgeschoss der Schule, wo der Künstler gewirkt hat
und 1940 gestorben ist. Zum 25. Jahrestag wird das Atelier, verstärkt mit
den neuen Bildern, nun neu eröffnet. Mit einem umfangreichen
Schleith-Archiv (Briefe) sei es zu einer Erinnerungsstätte für den immer
wieder vergessenen großen Wiesleter Maler geworden, schreiben die
KUK-Initiatoren.
Nach einem Bericht der Badischen Zeitung / Original-Text & Foto: Dirk
Sattelberger
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