KUK-Logo

 

 

 

 

xxx

Die Werwolfmorde im Elbenschwander Wald

xxx

zurück zu Presseberichte Aktuelles / Archiv

 

In einer bewegenden Feier wird in der Laurentiuskirche in Tegernau
der Gedenkstein eingeweiht.

 
   

"Unfriede herrscht auf der Erde..." - mit diesem, von einem polnischen Autor stammenden Kirchenlied - wurde den Besuchern die unerwartete Aktualität des Gedenkens an eine menschenverachtende Tat im Kleinen Wiesental gleich zu Beginn auf erschreckende Art deutlich.

"Nicht vergessen, sondern Erinnerung ist unsere Aufgabe..." - dieses Zitat von Heinrich Böll ist der Antrieb von Hans Viardot und KuK-Kleines-Wiesental e.V. Zunächst erläuterte Viardot die seit über 30 Jahren andauernden Bemühungen des Vereinsteams zu Aufarbeitung der NS-Zeit im Tal der Kleinen Wiese. Insbesondere die seltsamen Vorgänge um die Ermordung von insgesamt 8 jugendlichen Zwangsarbeitern (3 in Hägelberg, 5 im Elbenschwander Wald) durch 20 den Werwölfen angehörende und von einem fanatischen SS-Offizier befehligten Hitlerjungen blieben lange im Dunkeln. Erst in der letzten Zeit fanden sich Zeitzeugen, die nun nach rund 70 Jahren bereit waren, ihr Wissen der Öffentlichkeit zu offenbaren und dabei halfen, die Orte des Geschehens am "Hirschkopf" zu suchen und für die Nachwelt festzuhalten. Ein Felsen aus dauerhaftem Granit, nahezu 3 Tonnen schwer, kein runder Findling, sondern ein aus dem Felsen des Tegernauer Steinbruchs herausgesprengter "grober Klotz für eine grobe Tat". H. Viardot schilderte in kurzen Zügen, illustriert durch passende, per Beamer projizierte Bilder, den Weg von der Idee bis zum Aufstellen des Steins neben dem Wanderweg am Hirschkopf - in unmittelbarer Nähe des eigentlichen Tatortes inmitten des fast unzugänglichen Waldgebietes.



"MG-Stände, Verstecke, Waffenreste und Munition..." - Rüdiger Motzke, der zuständige Förster des Gebietes zeigte an Hand einiger Fotos die von den Hitlerjungen und den osteuropäischen Zwangsarbeitern gemeinsam ausgehobenen Gruben, ordnete sie mittels gefundener Waffenreste und Munition der eigentlichen Bestimmung zu und zeigte an Hand einer Skizze, wie die beiden Unterstände, einer unterhalb des Hirschkopfes, der andere gegenüber am Tannenkopf, mit dem durch die seinerzeitigen Sichtverhältnisse (Niederwald, mögliche Sichtachsen der Stellungen) bedingten Schussfeld. Möglicherweise sollten sie den kleinen Pass am Wolfsacker oberhalb von Elbenschwand, den Übergang ins große Wiesental, gegen die vordringenden französischen Truppen verteidigen - angesichts der Kriegslage im April 1945 an sich schon ein aberwitziges Vorhaben. Sicher ist, dass die Zwangsarbeiter und die Werwölfe in den beiden großen Unterständen "gewohnt" haben. Kleinere Gruben am Hirschkopf - 2 sind noch erkennbar, lt. Elbenschwander Zeitzeugen waren es ursprünglich wohl 6 bis 7 - dienten allem Anschein nach dazu, Waffen, Munition und Lebensmittel für die Zeit nach dem erwarteten Kriegsende zu vergraben - um damit möglicherweise eine Art Partisanenkrieg gegen die französischen Besatzungstruppen führen zu können.

"Wir wuchsen mit denen zu einer Gemeinschaft zusammen, sie waren ja so jung wie wir..." mit diesem Zitat eines der Hitlerjungen blieb es dem Lokalhistoriker Hansjörg Noe, profundem Kenner der südbadischen NS-Zeit, vorbehalten, das Hauptreferat zu halten. Nach jüngsten Recherchen, insbes. in der Zentralen Stelle (ZSt) zur Aufklärung national-sozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg konnte er die Vorgeschichte und den Tathergang relativ zweifelsfrei rekonstruieren. Die französische Armee überquerte Ende März 1945 den Rhein und drang u. a. in den Kreis Lörrach vor. Ein SS-Offizier - Kurt Rahäuser - und 20 Hitlerjungen, die von ihm der Org. Werwolf eingegliedert wurden, bekamen den Befehl, im Raum Steinen sowie im Kleinen Wiesental Bunker- und MG-Unterstände zu bauen. Als Arbeitshilfe ließ man sich 10 junge osteuropäische Zwangsarbeiter zuteilen. Am 23. April strömten die franz. Truppen in die Schwarzwaldtäler. Einer der Werwölfe hatte erfahren, dass "man diese Fremden selbstverständlich umlegen werde" und riet zweien zur Flucht, diese folgten dem Rat. Rahäuser begab sich daraufhin zur Stellung am Hirschkopf, beschimpfte und bedrohte die Hitlerjungen und gab ihnen den strikten Befehl, die hier anwesenden 5 Zwangsarbeiter zu erschießen: "da sie andernfalls die Stellungen verraten könnten." In zwei Gruppen ließen die Werwölfe die Zwangsarbeiter vor sich hergehen, um sie hinterrücks zu erschießen. Die Leichen wurden notdürftig mit Reisig abgedeckt. Nachdem im Herbst Pilzsucher im Wald beim Käsernhof oberhalb Pfaffenbergs Leichen gefunden hatten, schlichen sich einzelne Ex-Werwölfe in den Wald bei Elbenschwand, um die restlichen Leichen und verräterische Spuren zu beseitigen. Da der Waldweg am Hirschkopf die Gemarkungsgrenze zwischen Elbenschwand und Käsern/Pfaffenberg im großen Wiesental bildet, wurden die drei Toten der Pfaffenberger Seite auf dem Friedhof in Atzenbach bei Zell i. W. beerdigt - die 2 auf der Elbenschwander Seite wurden jedoch nie gefunden.

"Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Todesurteil ohne Folgen..." - auf der 2. Ebene seines Referates beschäftigte sich Hansjörg Noe mit dem Schicksal Rahäusers. Bereits im Mai 1950 wurde 7 der Werwölfen vor dem franz. Militärgericht in Freiburg der Prozess gemacht, der Rest war nicht greifbar - insbesondere nicht der Hauptangeklagte R., gegen den in Abwesenheit verhandelt wurde. Anklage: Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß alliiertem Kontrollratsgesetz. 7 der Werwölfe. Urteil: Tod für Rahäuser, zwischen 7 Jahren und 3 Monaten für die Hitlerjungen. R. war untergetaucht, lebte zeitweise in der DDR, in Österreich, in der Schweiz und entzog sich so der Urteilsvollstreckung. 1958 kehrte er zurück, doch der deutsch-alliierte Überleitungsvertrag schützte ihn: Personen, gegen die bereits die Besatzungsmächte ein Gerichtsverfahren "endgültig abgeschlossen" hatten, durften nicht mehr vor ein deutsches Gericht gestellt werden - auch wenn ein Urteil überhaupt nicht vollstreckt worden war. Die Waldshuter Staatsanwaltschaft klagte trotzdem Rahäuser 1964 wegen Mordes an, er bekam im Prozess auch die Hauptverantwortung zugesprochen, doch musste der Prozess auf Geheiß des Bundesgerichtshofes eingestellt werden. 1985 einigten sich die BRD und Frankreich auf eine Vereinbarung, welche die deutsche Gerichtsbarkeit in Fällen von Abwesenheitsurteilen eröffnete und Rahäuser wurde erneut angeklagt. "Was in den beiden vorhergehenden Prozessen noch ganz klar und gut dokumentiert war, ist nun überhaupt nicht mehr klar", betonte Noe. Rahäuser bestritt, Befehle gegeben zu haben, obwohl er das in einem früheren Prozess selbst bestätigt hatte. Die Mordanklage wurde fallengelassen, sein Verteidiger machte „Befehlsnotstand" geltend und am Ende erhielt Kurt Rahäuser wegen Beihilfe zum Totschlag lediglich noch eine Gefängnisstrafe von drei Jahren.

"Eine menschenverachtende Tat..." - Hansjürg Baumgartner stellte den Gedenkstein und die Bronzetafeln vor. Der Stein hat durch seine grob polygone Form an der Vorderseite 2 leicht gegeneinander gekippte Flächen - es bot sich daher an, eine 2-Teilung der Gedenktafeln vorzusehen. Eingelassen in den Granit werden daher eine Bildtafel mit 5 Kreuzen für die 5 hier erschossenen Opfer sowie eine Schrifttafel mit knapper, gut erfassbarer "Formatierung" - ein Gedankengang pro Zeile in 2 Gruppen - zum einen die Fakten, zum anderen was KuK intendiert:

In diesem Waldstück starben im April 1945
fünf jugendliche Zwangsarbeiter aus Osteuropa.
Den Werwölfen angehörende Hitlerjungen
haben sie in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges
auf Befehl eines SS-Offiziers hingerichtet.

Wir gedenken der Opfer dieser menschenverachtenden Tat
und setzen diesen Stein als Mahnmal gegen das Vergessen.

"Eine Tat, aber 2 Tatorte..." - 3 der insgesamt 8 jugendlichen Zwangsarbeiter wurden in Hägelberg erschossen. H. Koger, der Ortsvorsteher von Hägelberg und W. Klingenfeld, der damalige Leiter des Schulzentrums Steinen berichteten sowohl über die "Geschichte" der Aufstellung des dortigen Gedenksteins, der durch das Engagement des seinerzeitigen Religionslehrers Guido Schmidt und einer Schülerinitiative im Herbst 1996 realisiert wurde. Insbesondere schilderten sie auch die Widerstände und den Widerwillen der politischen Gemeinde, die zu überwinden waren - und die letztendlich positive Resonanz in der Öffentlichkeit, in Zeitungen und im Radio (SWF).

"Wehret den Anfängen..." - Widerstände dieser Art gab es zum Glück im Kleinen Wiesental nicht - im Gegenteil: Bürgermeister Gerd Schönbett stellte sich mit einer beeindruckenden persönlichen Stellungnahme klar an die Seite der KuK - Initiative und erinnerte daran, dass die NSDAP im Jahr 1920 gegründet wurde und nur 13 Jahre später in der Lage war, in Deutschland die Macht zu übernehmen.

"Aus heiterem Himmel in den Rücken geschossen..." - in einer pantomimischen Darstellung zeigten die Konfirmanten unter der Federführung von Pfarrer Christian Rave in beklemmender Weise den Ablauf des Geschehens: das gemeinsame Ausheben der Gruben und Unterstände, das abendliche Essen und gemeinsame Singen von Liedern, die Gespräche und das Austauschen von Andenken - waren doch die Zwangsarbeiter und die Werwölfe im gleichen Alter - um die 15 - 17 Jahre alt. Wie aus dem Nichts schickte der SS-Offizier die jungen Osteuropäer weg und gab den Hitlerjungen den Befehl, sie hinterrücks zu erschießen.

"Die Zukunft wurde ihnen gestohlen..." - ebenso eindrücklich war das Gedenkritual: die Konfirmanten nahmen vor dem Altar Aufstellung und nannten die Namen der 8 Hingerichteten -
 
Peter Lukjanow, Edouard Jucsis, Alfons Ryngucki, Stanislaw Grutus, Ceslaw Kinezki,
Anton Tschaplinski, Zdzislaw Jablonowski und Nikolai Sobbánow
-
 
zusammen mit jeweils einem Gedanken, was diese Jugendlichen nun nie mehr erleben würden:
 "Er konnte sich nicht mehr verlieben; - nicht mehr heiraten; - keine Kinder mehr bekommen; -
seinen Traumberuf nicht mehr erlernen; - berufliche keine Karriere mehr machen; - kein Haus mehr bauen; -
sich nicht mehr um seine alten Eltern kümmern; - nicht mehr um seine Eltern trauern!" -
in der Laurentiuskirche herrschte tiefe Stille.

"Herr, gedenke doch der Namen..." - dieses holländische Lied, ebenso wie das Eingangslied von Pfr. Ch. Rave äußerst passend ausgesucht, schloß zusammen mit einem nachdenklich stimmenden, auf die aktuelle Zeit Bezug nehmenden Gebet sowie einer Orgelmusik, vorgetragen von Agathe Linder, die Gedenkveranstaltung ab.

"Nur wenn wir uns erinnern, können wir eine Wiederholung verhindern..." - anschließend schilderte ein Zeitzeuge,
 der 83-jährige Ernst Brenneisen den Besuchern seine Erinnerungen an die Tage in Hägelberg,
die er als 12-jähriger erlebt hatte und schloß mit einem aufrüttelnden Appell gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen das Vergessen dieser furchtbaren Taten.



Bericht: KuK - Text: Christiane & Hansjürg Baumgartner
Fotogalerie: Hans Viardot, Rüdiger Motzke, H. Baumgartner
 

 
       
   
zur Bildergalerie
 
 
       

zurück zu Presseberichte Aktuelles / Archiv

 

Weitere Informationen finden Sie hier:


ZDF History - Organisation Werwolf Hitlers letztes Aufgebot > 
  https://www.youtube.com/watch?v=8zhr6wdQrLA
insbesondere ab ca. 17.50 min Laufzeit


 WERWOLF - Wir haben es versprochen >    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44448432.html

 BESATZUNGS-URTEILE - Urlaub auf Ehrenwort >   http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45922223.html

 
 
KUK-Logo  

nach oben